Wenn man die ehstnische Büchersprache, selbst die der Bibel nicht ausgenommen, vergleicht mit der des gebornen Ehsten; so wird man die auffallende Bemerkung machen, daß zwischen beiden eine große Verschiedenheit stattfindet. Man hört nicht nur von dem Ehsten viele neue Wörter; sondern selbst die Construction und die Art sich über gewisse Dinge auszudrücken, ist häufig, wenigstens nach meiner Bemerkung, anders, als man sie in den vorhandenen ehstnischen Büchern findet. Wenn gleich daher, besonders durch den um die ehstnische Sprache hoch verdienten Hernn Consistorial-Rath A. W. Hupel, sehr viel schon für die ehstnische Sprache gethan ist; so, dachte ich, kann und muß noch viel für sie gethan werden, wenn man ihren Geist, und ihren Reichthum so wie ihre Armuth genau kennen lernen will.
Dieser Gedanke gab mir die Idee: Beiträge zu einer genauern Kenntniß der ehstnischen Sprache herauszugeben. Könnte ein Mann herumreisen von Kirchspiel zu Kirchspiel und sich mehrere Jahre in jedem und zwar bei dem Bauern aufhalten; so könnte er, der Einzelne, gewiß wichtige Beiträge zur bessern Kenntniß der ehstnischen Sprache liefern. Aber da sich dazu wohl schwerlich jemand verstehen möchte, so kann nur durch die Bemühung vieler, die Kenntniß derselben bedeutend erweitert werden.
Die gegenwärtigen Beiträge, die gewiß, davon bin ich fest überzeugt, sehr viel dazu beitragen können, werden es daher nur in dem einzigen Falle, wenn sie so glücklich sein sollten, recht viele Mitarbeiter zubekommen. Denn bis jetzt sind sie es leider noch nicht gewesen, ob ich gleich keine Mühe gescheut habe, nicht nur den Plan zu denselben bekannt zu machen, sondern auch um freundliche Unterstützung desselben zu bitten. Hier ist es Pflicht die Namen des Herrn Schulinspectors D. von Luce, des Herrn Pastors und Consistorial Assessors von Frei in Pia und des Herrn Pastors Bochmann in Audern, zu nennen. Denn diese Herren sind's , die bisher, wie der geneigte Leser sehen wird, Beiträge geliefert haben, und denen eigentlich das erste Heft sein Dasein verdankt.
Bei der Bitte um Beiträge habe ich häufig die Antwort erhalten, daß man nicht viel habe, und daß es daher nicht der Mühe verlohne, das Wenige hervorzusuchen. Ich bin aber der Meinung, daß man durch diese Ansicht der guten Sache sehr schadet. Denn wenn auch jemand nur eine neue syntactische Regel, oder nur zehn neue Wörter beitragen kann, so hat er dem Freunde der Sprache immer schon einen guten Dienst geleistet, und sein Beitrag ist dankenswerth. Da ich wünsche, jährlich wenigstens zwei Hefte dieser Beiträge herauszugeben, und da sie dem was sie sein und leisten sollen nur dann entsprechen können, wenn sich viele für sie interessiren; so bitte ich hierdurch ergebenst alle Freunde und Kenner der ehstnischen Sprache, mich mit ihren Beiträgen zu beehren. Ob jemand, wie gesagt, viel oder wenig liefert, thut hier nichts zur Sache. Jeder Beitrag, auch der kleinste, wird mit Dank angenommen und benutzt werden.
Hier möchte denn auch der Ort sein zu erwähnen, daß man von mir für zu liefernde Beiträge ein Honorar verlangt hat, und daß ich, da mir dies Verlangen sehr billig scheint, gern bereit bin, einem jeden, der es fordern wird, zu zahlen, was ich nur im Stande sein werde zu zahlen.
Bis jetzt habe ich nur Beiträge für den revalsch-ehstnischen Dialect erhalten; sollte ich aber auch welche für den dörptsch-ehstnischen bekommen; so werde ich sie mitVergnügen aufnehmen. Eine gründliche Kenntniß der ehstnischen Sprache, scheint ohne Bekanntschaft mit beiden Dialecten nicht wohl möglich.
Noch ist zu bemerken, daß jedes Heft, so wie auch des gegenwärtige, nicht alle Nummern enthalten kann, die in dem Inhaltsverzeichnisse angemerkt sind. Eben so wird man sich durch dasselbe nicht hindern lassen, Beiträge die der Sprache förderlich sind auszunehmen, wenn sie gleich unter keine der angegebenen Rubriken gebracht werden können. Man wird sie im Gegentheile gern und mit besonderem Vergnügen annehmen und benutzen. Mit je mehr Eiser für die Sache gearbeitet wird, desto mehr müssen sich mit der Zeit die Gränzen dieses Werkes erweitern.
Wenn das erste Heft nicht Aller Erwartungen entschpricht; so wird man hoffentlich dem Unternehmen selbst darum nicht das Urtheil sprechen. Es liegt in der Natur desselben, das es sich nur allmählich der gewünschten Vollendung nähern kann. Die viel vermissen und viel zu bemerken haben werden; werden auch hoffentlich viel beitragen können und es wird ja daher nut von ihnen abhängen diesen Heften recht viel Gehalt zu geben und sie so nützlich als möglich zu machen. Da es ihnen gewiß auch nicht an gutem Willen dazu fehlen wird; denn der Nutzen dieser Unternehmung liegt am Tage: so kann ich der guten Hoffnung leben, daß es nie auf mich eine Anwendung finden wird, was ein jetzt lebender Schriftsteller *) sagt: Allein muß jeder stehen und unternehmen was ihm nicht gelingt.
Pernau den 21sten März 1813.
Joh. Heinr. Rosenplänter.
*) s. Monologen. Eine Neujahrsgabe. Zweite Auflage. Berlin 1810. S.63.